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Raphael Gualazzi - Happy Mistake (Deluxe Edition)

Warner (2014)

von: Lena Grundmann, Clemens Grün

Neoswing liegt im Trend, und einer seiner profiliertesten Vertreter ist Raphael Gualazzi. Das liegt vor allem daran, dass sich der 32jährige Sänger und Pianist aus der beschaulichen Bischofsresidenz Urbino südlich von San Marino schon seit seiner Jugend der musikalischen Popkultur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts widmet, und das mit soviel Leidenschaft, Fleiß und Talent, dass ihm Ragtime, Charleston oder Stride Piano längst in Fleisch und Blut übergegangen sind. Mit dem Titel "Follia d'amore" ("Liebeswahn") gewann er 2011 erst den Newcomer-Preis von Italiens wichtigstem Musikwettbewerb in Sanremo und eroberte dann die Herzen eines Millionenpublikums auf dem Eurovision Song Contest in Düsseldorf.

Dabei sorgte er - nach dreizehnjähriger Abwesenheit - nicht nur für die fulminante Rückkehr Italiens auf die Bühne von Europas größtem Song-Wettbewerb, sondern markierte auch eine Wegmarke im Prozess des Image- und Bedeutungswandels, den das lange als Trash-Happening belächelte Event seit wenigen Jahren erlebt. Eine ähnlich gefühlvolle und zugleich technisch brilliante Performance war dort selten zu sehen gewesen, und erstaunlicherweise erwies sich diese Mischung als absolut massentauglich: Nie zuvor in der Geschichte des Song Contest war eine Jazznummer auf dem zweiten Platz gelandet.

Mit seinem dritten Studioalbum präsentiert Gualazzi uns nun die ganze Bandbreite seines Könnens und seiner Kreativität. Mit vielseitiger Stimme und virtuosem Piano entführt er uns auf eine Reise, quer durch alle musikalischen Genres und Epochen, von den Ursprüngen des Jazz zu moderner Popmusik, und scheint dabei jeder selbstgewählten Herausforderung gewachsen. Gemeinsam mit der Nouvelle-Vague-Sängerin Camille ("L'amie d'un Italien") entsteht ein mitreissend kabaretteskes Swing-Duett, Verdis Arie "Questa O Quella Per Me Pari Sono" wird verjazzt, ein Ausflug nach Cuba unternommen ("Mambo Soul"), oder es werden die Wurzeln von Jacques Brels Chanson im traditionellen italienischen Liedgut ausgelotet.

Angesichts der weitgehend handgemachten, stets stil- und rhythmussicher mit Schlagzeug und Bläsersätzen arrangierten Produktion, werden Songs wie die zeitgemäße Soulballade "Seventy Days of Love" fast durchgehend von Gualazzis Fertigkeiten am Klavier und seiner samtweichen, über mehrere Oktaven reichenden Stimme getragen. Mit dem treibenden Rock'n'Roll-Cover "Svalutation" beweist er, dass er selbst den Vergleich mit einer charismatisch knarzenden Legende wie Adriano Celentano nicht zu scheuen braucht. Und auch das gesellschaftskritische Metier beherrscht der stets charmant und bescheiden auftretende Künstler: Der von Amnesty International prämierte Uptempo-Canzone "Senza Ritegno" ist eine flammende Abrechnung mit dem Rassismus in der italienischen Gesellschaft.

"Happy Mistake" ist ein vielseitiges, fröhliches und vor Leben sprudelndes Album. Hier verbinden sich Talent und handwerkliches Geschick eines empathischen Liebhabers von Musik, die für ihn seit frühester Kindheit allgegenwärtig war. Gualazzis Mission ist, die grosse Zeit des Jazz zu neuem Leben zu erwecken, und das nicht als Steckenpferd elitärer Zirkel, sondern als prägendem Element globaler Popkultur seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert. In der Musik, sagt Gualazzi im Interview mit multicult.fm, gehe es immer darum, starke, gleichsam universale Gefühle mit einer simplen Melodie auszudrücken, die Menschen mit ansteckenden Rhythmen zum Tanzen zu bringen und sie spielerisch zu inspirieren, ihre Freiheit und Individualität auszuleben.

Seine Konzerte seien wie eine "große Party" mit dem Ziel, gemeinsam Spaß zu haben und die Schönheit des Lebens zu teilen und zu zelebrieren. Es gehe um Einfachheit, Intensität und Authentizität, kurz: um Liebe. In dem Song "Welcome to My Hell" nimmt Gualazzi seine Zuhörer mit auf eine "mythische Reise" im Country-Folk-Rhythmus, federleicht untermalt vom Doo-Wop-Gesangsarrangement der Puppini Sisters. Die Magie der Musik lässt alle Probleme verschwinden. In diese Hölle lassen wir uns gerne entführen.

Am 14.Mai stellt Raphael Gualazzi sein Album "Happy Mistake" im Berliner Babylon vor. Tanzschuhe nicht vergessen!