Tru Thoughts (2014)
von: Lena Grundmann, Clemens Grün
Musik ist Will Hollands Lebenselixier - anders ist die Produktivität des in Kolumbien lebenden Engländers kaum zu erklären. Seit 2001 produziert der vor allem unter dem Künstlernamen Quantic bekannte Musiker jährlich mindestens ein neues Album. So ist "Magnetica" bereits seine fünfzehnte Veröffentlichung. Die Musik ist Holland in die Wiege gelegt, in seinem Elternhaus wurde von jeher gesungen und auf unzähligen Instrumenten musiziert. Das Schlafzimmer des jungen Will verwandelte sich bald in ein Tonstudio, in dem er nicht nur mit Gitarre, Bass, Kontrabass, Klavier, Orgel, Perkussion und Saxophon experimentierte, sondern auch mit elektronischen Sounds.
Nach ersten Erfolgen mit dem "Quantic Soul Orchestra" und dem DJ-Projekt "The Limp Twins" wurde Hollands gemeinsam mit dem New Yorker Kollegen Nickodemus produzierter Song "Mi Swing Es Tropical" 2005 zum Latin-Hit, nachdem er in einem Apple-Werbespot Verwendung fand. Sein Umzug nach Kolumbien läutete zwei Jahre später eine neue Schaffensphase ein und erweiterte seinen Stil um neue Facetten wie Cumbia, Reggae oder Salsa. "Magnetica" ist ein organisch arrangierter Mix aus all seinen Erfahrungen in verschiedenen Genres. Die Grundlage bildet seine Affinität zu elektronischer Musik: Loops, eingängige Basslinien und clubtaugliche Beats. Dazu kommen eine Vielzahl von Instrumenten, darunter Geige (Miguel Altwood Ferguson), Banjo und Akkordeon (Anibal Velasquez).
Die hochkarätigen Gäste kennt Quantic zum Teil schon aus vorherigen Projekten. Sein Labelmate Alice Russel verleiht "You Will Return" ihre ausdrucksstarke Soulstimme. Dereb the Ambassador betätigt sich als Sänger und Texter von "Arada" im Dialekt seiner Heimatregion, dem äthiopischen Amhara. Shinehead bereichert das Album um den lebendigen Reggeatitel "Spark it", der mit seinen Bläsersätzen und elektronischen Spielereien ein wenig an Seeed erinnert - mit tropischem Flavour. Mit der 1970 gegründeten Salsacomo Fruko und Michi Sarmiento, dem Godfather der Ondatrópica, vereint "Descarga Cuántica" zwei Legenden der kolumbianischen Musik.
Der jungen angolanischen Rapperin Pongo Love ("Duvido", portugiesisch für "Zweifel") hört man ihre musikalischen Ursprünge in der Lissaboner Kuduro-Formation "Buraka Som Sistema" an, deren Song "Kalemba" nicht zuletzt durch das Computerspiel "FIFA 10" Bekanntheit erlangte, und die auch den Stil des aus Sri Lanka stammenden Shootingstars M.I.A. prägte, einer der frühen Gastkünstlerinnen des Projekts. Der angolanische Name "Kuduro" bedeutet auf Deutsch so viel wie "harter Arsch" und bezeichnet eine Mischung aus Sprechgesang, lokalen Slangs, elektronischen Beats und Elementen traditioneller afrikanischer Musik.
Unter den beiden Instrumentalsongs des Albums findet sich mit "Sol Clap" auch das unwiderstehliche Electrocumbia-Duell einer Mariachi-Trompete mit einer tanzenden andinen Flöte - gewissermassen eine pointierte Zusammenfassung des kulturellen Schmelztigels Kolumbien. Zu den Highlights des Albums gehören aber zweifelsohne zwei Songs mit der kolumbianischen Sängerin Nidia Gongora aus der Cauca-Region an der kolumbianischen Pazifikküste, darunter mit "La Plata" ein veritables Motto für die weltweite Protestbewegung der Globalisierungsverlierer, deren ironisch-kämpferischer Refrain "Damé mi plata!" ("Gib mir mein Geld!"), spätestens nach J.L.'s Absage der Eröffnungsfeier, auch bestens als alternative Hymne der Fußball-WM taugen würde.