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Mellow Mark - Roots und Flügel

Danse Macabre (Alive) (2015)

von: Clemens Grün & Meret Reh (Mitarbeit: Elgin Hertel)

Jeder Mensch braucht Wurzeln, um auf dem Teppich zu bleiben und Flügel, um nach den Sternen zu greifen. „Roots und Flügel“ heißt das neue Album von Mellow Mark. Im Strom des Zeitgeistes zu schwimmen ist Mellow Marks Sache nicht. Also erfindet sich das Chamäleon der deutschen Musikszene wieder einmal neu. Als geerdeter Familienvater sucht der kosmopolitische HipHop-, Soul- und Weltmusiker nach dem musikalischen Genre, das sein Lebensgefühl und seine Message am besten ausdrückt - und kehrt dabei zu seinen Ursprüngen als Singer/Songwriter zurück: Roots Reggae mit persönlichen Texten.

Dieser Stil mag zwar nicht der letzte Schrei sein, aber dass es dennoch keine Sekunde langweilig wird, ist der Spielfreude der Künstler zu verdanken, der versierten Produktion von „House of Riddim“-Mastermind Sam Gilly und nicht zuletzt Mellow Marks über die Jahre gereifter sprachlichen Raffinesse, die genauso zum Schmunzeln anregt wie zum Nachdenken. Man darf nicht vergessen: Hier dichtet einer, der einst nicht nur deutscher Newcomer und Reggae-Künstler des Jahres war, sondern schon auf Deutsch rappte, als die hiesigen Charts noch von den No Angels, der Gerd Show und Las Ketchup dominiert wurden.

Dabei verstand Mellow Mark sich nicht erst seit seiner globalisierungskritischen Single „Weltweit“, die während des Irak-Kriegs zur Hymne der Friedensbewegung wurde, immer auch als politischer Liedermacher. Und während der romantische Ruf des jungen Dreadlock-Rastafaris nach der „Revolution“ kurz nach dem 11. September noch ein wenig wie aus der Zeit gefallen gewirkt haben mag, ist der Mellow Mark des Jahres 2015 zweifellos in der Gegenwart angekommen, sein Aufruf zu gesellschaftlichem Engagement, politischem Widerstand und zivilem Ungehorsam („A.Z.Z.U.“) aktueller denn je.

In bewährter Manier legt Mellow Mark den Finger tief in die Wunde der globalen Ungerechtigkeit, ohne sich selbst dabei zum Moralpostel aufzuschwingen. In „Schlau Dich dumm“ kritisiert er hierarchische Ordnungen und prangert Ausbeutung in all ihren Formen an. Sein bitter-ironisches Fazit lautet: „Komm mach mit, sei schlau, und stell dich dumm!“ Wenn Kapitalismuskritik so flott, frech und eingängig daherkommt wie in diesem Song, schwingen selbst die Gäste auf der Grillparty der Deutschen Bank zum Doo-Wop-Refrain das Tanzbein.

Es sei wichtig, betont Mellow Mark im Interview mit multicult.fm, jede Anklage auch immer mit einer positiven Botschaft zu verbinden. Das gilt auch für „Zuflucht“, den Mellow Mark gemeinsam mit dem bayerischen Rapper Uwe Kaa und der Kubanerin Mirta Junco Wambrug aufgenommen hat. Ein Song, der aktueller nicht sein könnte: Anhand der Geschichte einer Familie, deren Alltag duch Krieg und Terror zur Hölle auf Erden wird, beschreibt er exemplarisch das Schicksal von Millionen Flüchtlingen und ruft dazu auf, die Willkommenskultur als ein großes Happening zu zelebrieren.

Zahlreiche Freunde und Weggefährten präsentiert Mellow Mark auf „Roots und Flügel“ als Gastmusiker. Neben einer Reihe deutschprachiger HipHop- und Reggae-Künstler ist darunter auch der südafrikanische Dancehall-MC Crosby Bolani. Inspiriert durch Bolanis Song „Heart of a Lion“ entstand der Song „Elefanten“. Mit elefantastischem Sprachwitz und einem launigen, in Cape Town und Berlin aufgenommenen Video huldigen die beiden dem so starken wie sensiblen und empathischen afrikanischen Dickhäuter.

Auch ein weiteres großes Thema der aktuellen politischen Debatte darf nicht fehlen: Mit „Weltweit Stasi“ widmet Mellow Mark den Whistle Blowern der Welt einen Song gegen den Überwachungsstaat - mit passendem, doppelbödig-satirischem Video im Stil eines Agenten-C-Movies. Er läßt seinen Alter Ego „Agent Orange“ Liebesbomben streuen und einen „Molotow-Cocktail aus Empathie und Emotion“ mixen. Die fröhlich-entspannten Klänge der Melodie trügen, denn auch hinter dem Song "Explosion" mit Reggae-Shootingstar Miwata steckt eine ernsthafte Intention: Eine Welt der Waffen, so die klassisch-pazifistische Botschaft, sei dem Untergang geweiht. Was bleibt? „Was bleibt sind die Herzen!“

Und hier schließt sich der Kreis. Denn wo Mellow Mark früher als Weltenbummler auf der großen Bühne der Weltpolitik unterwegs war, lebt er heute zurückgezogen als Familienvater auf einem Biobauernhof südlich von Berlin. Nach 16jähriger Karriere im Musikbusiness tankt er hier Kraft für sein umtriebiges Künstlerleben. „Du stehst auf wilden Sex, ich bin der Champ im Windelwechseln.“ Prägnanter könnte Mellow Mark seine Evolution zum „Family Man“ kaum beschreiben. Auf seiner Suche gibt es nun einen Fixstern, jedes Detail des Lebens erhält eine neue Bedeutung. So wird das Album „Roots und Flügel“ auch zu seinem ganz persönlichen Vermächtnis für die nächste Generation, den Planeten und die Menschheit.