Asphalt Tango (2013)
von: Katrin Wilke
Auf dem CD-Cover hängt an einem Baum eine Quetschkommode, eine Slidegitarre liegt ihm zu Füßen, an den Wurzeln. Eigentlich müssten sich die Äste nur so biegen unter weiteren Saiteninstrumenten wie E-Bass, Banjo , Mandoline und Bouzouki, unter Klarinette, Saxofonen und diversen Tasteninstrumenten - also all dem, was Koby Israelite sonst noch so spielt. Auch auf seinem ersten Album beim Berliner Label Asphalt Tango, dem insgesamt achten unter eigenem Namen. Und dieser weist zu Recht auf die Herkunft des seinem Heimatland durchaus kritisch gegenüberstehenden Multiinstrumentalisten und Gelegenheitssängers hin, ist sein wirklicher, nicht etwa ein Künstlername. In Tel-Aviv geboren, kam der ungestüme Wuschelkopf schon vor etlichen Jahren nach London - maßgeblicher Ausgangsort seiner musikalischen Karriere und Umtriebigkeit.
Und die lässt kaum die Vorstellung zu, das der Israeli als Kind eher unwillig loslegte, lieber Fußballspieler als Musiker werden wollte. Doch es sollte besser, ja ultimativ leidenschaftlich werden, als er vom frühen Klavierspiel mit 15 ans Schlagzeug geriet. Dies hätte sein Leben geändert, versicherte der heute 46-jährige in einem Interview. Doch es sollte, wie gesagt, längst nicht bei diesem Instrument bleiben. Die Liebe zur Musik zur rumänischen Band Taraf de Haïdouks etwa bewegte ihn zum Erlernen des Akkoredeons. So könnte Koby Israelite eigentlich seine sehr eigenwillig und sympathisch unberechenbar zwischen Rock, teils brachialem Hardrock, Bluegass, Jazz und Balkaneinflüssen treibenden, komplexen Klangwerke gut und gerne alleine einspielen. Doch umgibt sich der Wahl-Londoner stets und auch diesmal im Aufnahmestudio mit etlichen Musikerfreunden.
Für die Vokalstücke - die Minderheit innerhalb seines eher instrumental ausgerichteten Werkes - konnten zwei überaus interessante Sängerinnen gewonnen werden: Neben der Britin Annique, die mit ihren zwei Gastauftritten Lust auf mehr macht, auch Israelite's Landsfrau Mor Karbasi, die u.a. eine hervorragende Interpretin sephardischer Musik ist. Das von ihr intonierte, eher zurückgelehnte Stück veredelt der Armenier Tigran Aleksanyan mit seinem exzellenten Spiel der Duduk und der Klarinette. Der Mann, der vorne auf dem Cover neben dem Baum hockt, fliegt im CD-Inlet mit einem rotem Schirm hinauf in die Lüfte. Eine schöne Metapher für diesen kaum zu fassenden. atmosphärisch und stilistisch vielgestaltigen "Blues von anderswo", den Koby Israelite hier wie auch auf den vorigen Alben zelebriert.
Jene waren übrigens allesamt beim Label des New Yorker Enfant terrible und Klezmer-Jazz-Avantgardisten John Zorn erschienen: Israelite's wichtigster Mentor und großes Vorbild - nicht nur, was die musikalische Freiheit und Neugierde angeht, sondern auch eine ganz allgemeine Offenheit. Willkommen, Koby, nun also - zumindest label-technisch - in Berlin! Live werden wir hier dagegen noch etwas auf den Musiker warten müssen.