Tam! Turn Again Music (2013)
von: Katrin Wilke
Nachdem die Fans dieser franko-maghrebinischen, v.a. algerisch verwurzelten Band schon seit Jahren mit den Füßen gescharrt hatten, sendet diese nun neue Lebenszeichen in Form eines Albums und von Konzerten (z.B. im vergangenen Sommer beim "Wassermusik"-Festival im Berliner Haus der Kulturen der Welt). Mit "Shock El Hal" gedenken die Gnawa-Rebellen zum einen des Arabischen Frühlings und zum anderen ihres eigenen 20. Geburtstages. Sie machen sich allerdings etwas älter, bedenkt man die ca. fünfjährige Pause, aus der sie sich nun mit wahrlich frischen, energiegeladenen Sounds zurückmelden.
1992 trommelte der Sänger und Gimbri-Spieler Amazigh Kateb, Sohn des renommierten algerischen Autoren und Poeten Kateb Yacine, im südostfranzösischen Grenoble ein paar Musikfreunde zusammen. Man machte sich daran, die insbesondere in Marokko, aber auch in Algerien kultivierten Gnawa-Rhythmen und -Gesänge sowie weitere heimische Musiktraditionen, etwa Châabi und Raϊ, mit Reggae, Ragga und Rock raffiniert und peppig klingend zu verkuppeln.
Was ab einem gewissen Moment etwas eintönig und ausgereizt schien, hat in der neuerlichen Wiedervereinigung der aktuell acht bis zehn Musiker ganz offenkundig und gut hörbar zu neuen kreativen und spirituellen Kräften gefunden. Die 13, allesamt vom Master Mind Amazigh komponierten neuen Songs lassen musikalisch bisweilen an die Pariser Seelenverwandten vom Orchestre National de Barbès (unsere CD der Woche vom 20. bis 27. August 2012) denken. Mal neigen sich die Berber-Grooves stärker gen Funk, Jazz, HipHop und Scratching, erweisen sich als ideal für so ziemliche jede klangliche Liaison. Und während man zu einem der gut tanzbaren Lieder schwoft oder bei den vereinzelten zurückgelehnteren Balladen ins Schwelgen gerät, sinniert Amazigh singend über nichts Geringeres als die Konflikte und Seelennöte maghrebinischer Emigranten, die Zerrissenheit zwischen alter und neuer Heimat.