Dunkelbunt Records (2015)
von: Clemens Grün, Kyria Amtsfeld
Barfuß um das Lagerfeuer tanzende Hippies am Strand, dazu eine Musik, die irgendwie wild, exotisch und authentisch rüberkommt und zum Träumen anregt: Balkan Beats oder deren jüngste Liaison mit dem ungezügelten Lifestyle der 20er Jahre, der Elektro Swing. Zu den Urvätern dieser Phänomene der Popkultur gehört Ulf Lindemann alias Dunkelbunt. Der gebürtige Hamburger und Wahlwiener ist ein Wanderer zwischen den Welten. Die Verbindung von Reisen, Naturverbundenheit und kulinarischen Genüssen zieht sich wie ein roter Faden durch seine Arbeit. Nicht umsonst gehört das "Cinnamon Girl" zu seinen größten Hits.
Sich auf seinen Lorbeeren als Genrepionier auszuruhen, ist jedoch Dunkelbunts Sache nicht. Auf seinem neuem Album "Mountain Jumper" beschreitet er musikalisch völlig neue Wege. Er begibt sich auf eine Spurensuche in die amerikanische Gründerzeit und interpretiert diese auf vollkommen neue, nie gehörte Weise. Das Experiment, das er dabei wagt, erläutert Dunkelbunt im Interview mit multicult.fm: Wie wäre es, wenn man einmal nicht dem notorischen amerikanischen Schmelztiegel huldigen würde, sondern versuchte, die Vielfalt der Sprachen und musikalischen Traditionen, die die Immigranten in die Neue Welt brachten, hörbar zu machen?
So würzt der passionierte Koch Dunkelbunt, der seinen CDs gerne eine Kostprobe selbstgemachter Gewürzmischungen beilegt, den Sound von Mississippi und New Orleans, Bluegrass und Hillbilly, Trompete, Posaune und Mundharmonika mit exotischen Klängen von griechischer Bouzouki, chinesischer Schalenhalslaute, indischen Tablas, hawaiianischen Gitarren und Fröschen. Der Wilde Westen erscheint im Reggae-Gewand ("Smoking Gun"), Electro Swing fusioniert mit Trip Hop ("Swingy Mama") und Acid Jazz ("NDW") trifft auf schwedische ("Varvindar Friska") und irische ("Star of the county down") Folklore.
Das "Nichtstun auf Reisen" bezeichnet Dunkelbunt selbst als wesentliche Quelle seiner unerschöpflichen Kreativität. MC Alix war dabei ein offenkundig produktiver Begleiter auf dessen weltreisendem Müßiggang: In "Egal" rappt er sich durch eine von New Orleans Marching Brass und Banjo untermalte Soundkulisse, und neben dem genannten ist der junge HipHopper aus dem urbanen Dschungel Berlin-Neuköllns noch in vier weiteren Tracks zu hören. Insgesamt elf Sprachen werden in den vierzehn Songs des Albums gesprochen, gesungen oder gerappt.
Dunkelbunts fantasievoll-verspielter Klangkosmos versucht dabei gar nicht erst, Historie authentisch zu rekonstruieren, sondern interpretiert das, was sich im Amerika vor den ersten Tonaufnahmen im ausgehenden 19. Jahrhundert abgespielt haben könnte, auf moderne Weise. Doch so ähnlich könnte der Wilde Westen tatsächlich geklungen haben - und wer mag, kann das auch als so romantisches wie zeitlos aktuelles politisches Statement verstehen: wider die gleichmacherische Assimilation, für eine bunte, multikulturelle Gesellschaft.