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Dobet Gnahoré - Na Drê

Contre Jour (2014)

von: Lena Grundmann, Clemens Grün

Gerade einmal 30 Jahre alt ist die ivorische Sängerin Dobet Gnahoré und gilt doch schon als Ikone der afrikanischen Musik. Für diese Rolle scheint sie prädestiniert, denn wer Dobet Gnahoré einmal auf der Bühne erlebt hat, versteht sofort: Diese Künstlerin hat eine Botschaft, und die verkörpert sie mit jeder Faser ihres Körpers. In diesem Körper spiegeln sich Licht und Schatten, die Stärke und die Verwundbarkeit, der Schmerz und der Stolz eines ganzen Kontinents. Der zweite, gleichsam universale Fixpunkt der von Gnahoré verkörperten Bühnenfigur ist die Rolle der Frau in all ihren Facetten: als fürsorgliche Mutter, als Hüterin des Heiligen Grals der Verbundenheit mit der Natur und der eigenen Identität und als moderne, selbstbestimmte Akteurin ihres eigenen Schicksals.

Was den expressiven Einsatz von Körper und farbenfrohen Kostümen betrifft, erinnert Dobet Gnahoré an Watcha-Clan-Sängerin Sista K. Ihre bloße Erscheinung auf der Bühne scheint Berge versetzen zu können. Hier steht nicht einfach eine überaus talentierte Sängerin, sondern eine Magierin mit transzedentalen Fähigkeiten, die uns zu beschwören, zu verzaubern und in ihre ganz eigene Welt zu entführen vermag. Die Musik ist Gnahoré in die Wiege gelegt. Ihr Vater, der Perkussionist Boni Gnahoré, weckte in ihr früh das Bewusstsein und die Faszination für die Traditionen der Bété. Schon im zarten Alter von zwölf Jahren übte sie sich in der Künstlerkommune Ki-Yi in Gesang, Tanz und handwerklichen Tätigkeiten wie dem Töpfern und dem Schneidern. Jede Art, sich auszudrücken, war ihr willkommen. Vor allem aber wollte sie singen, und das nicht zuletzt in den traditionellen Sprachen Afrikas - fernab vom Französischen das in der Schule gelehrt wurde.

Tatsächlich findet man auch auf dem mittlerweile vierten Studioalbum Gnahorés viele landestypische Dialekte: das senegalesische Wolof, Maliké aus Mali, Dida und Bété. Damit vereinnahmt Gnahoré, die für die englische Version ihres Titels "Palea" schon 2010 ihren ersten Grammy gewann, gleichsam einen ganzen Kontinent für sich - so wie es vor ihr schon Miriam Makeba oder Angelique Kidjo getan haben, um nur zwei jener kosmopolitischen Diven zu nennen, die nicht nur den Afropop, sondern das Bild Afrikas in der Welt geprägt haben und dies noch heute tun. Dahinter steht auch die Idee einer gemeinsamen Identität aller Afrikaner und der panafrikanische Traum von einem Kontinent ohne Grenzen wider der von den europäischen Kolonialmächten oktroyierten politischen Realität.

"Na Drê" - "mein Herz" heisst das Album, und eine Herzensangelegenheit sind Gnahoré nicht nur die von ihr beschriebenen Frauenschicksale und gesellschaftskritischen Themen wie häusliche Gewalt, Zwangsheirat oder Tod im Kindbett, sondern auch die musikalische Umsetzung ihrer Kompositionen und Texte. Die schrieb sie alle selbst und gab dann jedem Mitglied ihrer Band drei Songs, um diese zu arrangieren. Auf diese eigenwillige Art entstehen sehr lebendige, vielseitige Kompositionen mit Elementen aus HipHop und Jazz. Mal sind es Streicher, mal ein Saxophon, ein Klavier oder eine Flöte, die die ausdrucksstarke Stimme der charismatischen Sängerin umspielen. Die gekonnte Kombination von Gitarren-Riffs und Pop-Melodien mit traditionellen afrikanischen Rhythmen und den Genre-typischen Background-Chören wirkt jederzeit authentisch und schlägt dabei zugleich eine Brücke zwischen Afrika und Europa. Dobet Gnahoré versteht es auf brillante Weise, todernste Themen in eingängige Melodien zu verpacken, ihre Zuhörer zu berühren und zu einer Auseinandersetzung mit jenen Inhalten anzuregen, die ihr so sehr am Herzen liegen.