Arena Verlag (2015)
von: Kyria Amtsfeld & Clemens Grün
Alpenpanorama, Uhren, Käse, DJ Bobo - wenn es nicht gerade um das legendäre Montreux Jazzfestival geht, verbindet man die Schweiz eher mit Skiurlaub und Schokolade als mit guter Musik. Dem kosmopolitisch-versnobten Quotenberliner ist das Heidiland mit seinen Nummernkonten sowieso nicht geheuer. Schade eigentlich, denn auch in der Schweiz wird nicht nur gejodelt. Gerade hat die Züricher Sängerin Alina Amuri ihr Debütalbum herausgebracht.
Im Kongo geboren, in Zürich aufwachsen, wird es Alina Amuri schon als junges Mädchen bewusst, dass sie „anders“ ist als ihre Altersgenossen. Doch auch im Land ihrer Vorfahren fühlt sie sich nicht zuhause. In ihrer langen Geschichte haben die afrikanische Diaspora und insbesondere ihre musikalisch begabten Mitglieder schon einige Rezepte gegen das Gefühl der Entwurzelung entwickelt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts half der Blues bei der Suche nach einer eigenen Identität und seit Ende der 1970ern der HipHop.
Das Phänomen der „afronaut tradition“ beschreibt Heimat als einen Ort, der so fern ist, dass er nicht auf diesem Planeten sein kann. Das zentrale Thema der unbekannten Herkunft, das Erbe aller Afroamerikaner, nahm der Bürgerrechtler Malcolm Little einst als „X“ in seinen Namen auf. Afrika Bambataa kleidete sich in afrikanische Gewänder mit Elementen von Robotern und amerikanischen Ureinwohnern und nannte sein Album „Planet Rock“. George Clinton and the Parliament Funkadelic erfanden ein als „Mutterschiff“ bezeichnetes Raumschiff mit einer fiktiven „Chocolate City“ als Heimatbasis und Aretha Franklyn als First Lady. Auch Neo-Soul-Queen Erykah Badu nutzt in ihren Texten und Videos immer wieder das Sinnbild des Raumschiffes. Das HipHop-Duo Outkast bekannte sich um die Jahrtausendwende als Außerirdische. Der Begriff „extraterrestrial“ verwies dabei einerseits auf ihren Status als Außenseiter aufgrund ihrer Herkunft aus den amerikanischen Südstaaten. Andererseits kreierten sie damit ihre eigene musikalische Nische und grenzten sich vom formelhaften Gangsta Rap ab.
Anders die meisten Urenkel als Sklaven verschleppter Afrikaner, weiß Alina Amuri immerhin, dass sie aus der Hauptstadt des Kongos, Kinshasa stammt. Und dennoch spürt man gerade in Songs wie „I don´t fly“ oder „Where is my home“ das Bedürfnis der Afroschweizerin, einen abstrakten Ort zu kreieren, den sie Heimat nennen kann. Nicht zufällig nennt Amuri Aretha Franklyn als eines ihrer größten Vorbilder. Ihre Beschreibung von Heimat ist dabei ungleich subtiler: Sie benennt sie einfach als „there“. Und noch eine andere Antwort hat sie parat: Zuhause bin ich in meiner Musik.
Mit ihrem Album „Be One with me“ lädt Amuri die Zuhörer ein, diesen Ort zu besuchen. Die Musik zu ihrer charismatischen, eindringlich-wuchtigen Stimme klingt dabei mal soulig, mal rockig und mal funky. Diese Stimme ist es auch, die dem Album seinen eigenen Sound gibt. Samples von Snoop Doggs „Murder was the case“ („Caught between the lines“) oder Iggy Pops “I am a passenger“ in „I made up my mind“ verweisen auf Amuris Jugend, in der sie vor allem von westlicher Musik geprägt wurde. Bereichert wird das Album durch die Mitarbeit zahlreicher Schweizer Lokalgrößen wie dem als Frau geborenen Reggae-Künstler Msoke, der das musikalische Spektrum um eine karibische Facette erweitert. Gerade in melancholischen Balladen wie „Whats life worth“ oder „I don´t fly“ zeigen sich das Volumen und die Ausdruckskraft von Amuris Stimme.
In Zürich gilt Alina Amuri seit langem als feste Szene-Größe. Mit „Be One with me“ erscheint sie nun auch auf der Agenda der internationalen Musikwelt.